CROS- bzw. BiCROS-Versorgung in der täglichen Praxis


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Allgemeines

3. CROS-Arten

4. Power-CROS

5. Nutzennachweis


1. Einleitung

Ist eine beidseitige Hörsystemanpassung durch einseitige Taubheit, starke Hörminderung oder medizinische Kontraindikation nicht möglich, hilft unter Umständen eine CROS- bzw. BiCROS-Versorgung weiter.

Im Vordergrund steht die beidohrige Ansprechbarkeit. Hierzu dient ein Mikrofon auf der nicht versorgbaren Ohrseite zur Aufnahme des Schalls. Dieser wird an das besser hörende Ohr übertragen. Ist das besser hörende Ohr normalhörend, so wird hier der Schall lediglich durch einen Hörer abgegeben. Wird dieses allerdings auch mit einem Hörsystem versorgt, so findet eine Übertragung des Schalls von beiden Seiten statt.

2. Allgemeines

„Eine CROS-Versorgung (…) kommt in Betracht bei hochgradiger Asymmetrie des Gehörs, wenn gerätetechnisch die schlechter hörende bzw. taube Seite nicht mehr zielführend versorgbar ist“ laut § 29 Abs. 3 S. 1 HilfsM-RL, solange die bessere hörende Seite die Regeln der Indikation nicht erfüllt. Ein Beispiel hierfür finden Sie in Abbildung 1. Bei der klassischen CROS-Versorgung wird der Schall vom tauben bzw. resthörigen Ohr auf das normal hörende Ohr umgeleitet. Versorgen wir nun einen Schwerhörigen mit einem CROS-System, wird dieser sämtliche Schallereignisse auf dem hier bspw. rechten Ohr wahrnehmen, auch wenn dieser direkt von der linken Seite angesprochen wird. Eine längere Gewöhnungsphase ist hier obligatorisch sowie laut Hilfsmittelrichtlinien vorgesehen und nicht jeder wird sich mit dieser Lösung arrangieren können.

Audiogramm CROS

Die Indikation für eine BiCROS Versorgung ist erfüllt, wenn zusätzlich auf der besser hörenden Seite die Versorgungsvoraussetzungen vorliegen, wie z. B. in Abbildung 3.

Audiogramm BiCROS

Folgende Indikationen sprechen für eine CROS- bzw. BiCROS- Versorgung:

  • Einseitige Taubheit
  • Einseitige Resthörigkeit, bei der kein subjektiver oder objektiver Hörerfolg mit Hörsystemen erreicht werden kann
  • Medizinische Gründe, u. a.:
    • Nässendes Ohr
    • Mittelohrentzündung
    • Gehörgangsanomalien

3. CROS-Arten

Bei CROS- bzw. BiCROS-Versorgungen ist eine Kategorisierung nach Übertragungsart sinnvoll. Die häufigsten Versorgungsvarianten sind Kabel-CROS und Drahtloses-CROS. Alternativ ist eine Versorgung auch als Knochenleitungs-CROS möglich. Im Folgenden sind die verschiedenen Versorgungsvarianten im Überblick. Zur Vereinfachung wird ab jetzt nur noch von CROS gesprochen.

Kabel-CROS

Die klassische Verbindung zwischen Hörsystemen wird mit einem Kabel realisiert. Hierzu wird ein Mikrofongerät mittels Kabel an ein Hörsystem angekoppelt. Das Hörsystem muss über einen Audioeingang, welcher bei HDO-Hörsystemen häufig über einen Audioschuh ermöglicht wird, verfügen. Somit ist eine Ankopplung eines Mikrofongerätes wie in Abbildung 5 herstellerunabhängig möglich. Diese Variante wird Schaukel-CROS genannt. Das Kabel hierfür wird in verschiedenen Längen angeboten. In Abbildung 6 ist das Hörsystem in einer Brille montiert. Hier wird das Kabel meist in den inneren Fassungsbereich eingeklebt. So ist eine kosmetisch unauffälligere Lösung möglich. Kabel-CROS findet oftmals bei aufzahlungsfreien Versorgungen Anwendung oder wenn eine drahtlose Übertragung nicht möglich oder nicht gewünscht ist.

Kabel-CROS mit verschiedenen Mikrofonen

Kabel-CROS als Hörbrille

Drahtloses-CROS / Funk-CROS

Die Alternative zu Kabel-CROS und die mittlerweile häufiger genutzte Lösung ist Drahtloses-CROS. Diese Version ist als HDO, IDO und Brillen- CROS möglich. Die Vorteile von drahtlosem CROS sind eine einfachere Handhabung und eine größere Möglichkeit Features nutzen zu können. Einige drahtlose CROS-Systeme bieten mittlerweile einen Großteil der aktuellen binauralen Features an.

Knochenleitungs-CROS

Eine weitere Möglichkeit ist die Versorgung mittels eines Knochenleitungs-Hörsystem. Diese Variante ist implantierbar oder nicht implantierbar möglich. Hierzu wird lediglich ein Knochenleitungs- Hörsystem auf die nicht versorgbare Seite gebracht. Dieses benötigt zwar minimal mehr Ausgangsleistung, um die Schädeldämpfung zu überbrücken, allerdings sind die Ohren nicht verschlossen und das Eigenrauschen geringer hörbar.

Knochenleitungsgerät als Hörbrille

4. Power-CROS

Trotz moderner Rückkopplungsunterdrückungen kann es vorkommen, dass bei beidseitiger, hochgradiger Schwerhörigkeit, wie z. B. in Abbildung 8, diese an Ihre Grenzen stoßen. Insbesondere wenn aus medizinischen Gründen die Ohren mit der Otoplastik nicht ausreichend verschlossen werden können.

Hier ist es möglich, das „bessere“ Ohr mit einem leistungsstarken Hörsystem zu versorgen, wobei die Schallaufnahme entsprechend der Abbildung 2 auf der Gegenseite stattfindet.

Audiogramm an Taubheit grenzend

5. Nutzennachweis

In den Hilfsmittelrichtlinien ist für eine CROS- bzw. BiCROS-Versorgung keine Abschlussmessung oder sonstige Evaluation vorgesehen. Um trotzdem den Nutzen einer CROS- und insbesondere BiCROS- Versorgung nachzuweisen, hat sich aus der Praxis heraus folgender Messablauf ergeben. Ziel ist es die Ansprechbarkeit der nicht versorgbaren Seite nachzuweisen.

Schritt 1

Der erste Schritt beschäftigt sich nicht mit der Versorgung des zusätzlichen Mikrofongerätes, sondern vorab mit dem notwendigen Nachweis der monauralen Hörsystemversorgung bei einer BiCROS- Versorgung. Wird dieser Nachweis mittels Freiburger Sprachtest geliefert so soll „der Gewinn mit einem Hörgerät bei gleichem Schallpegel mindestens 20 Prozentpunkte betragen, sofern bei 65 dB ohne Hörgerät noch ein Einsilberverstehen ermittelbar ist. Soweit ohne Hörgeräte ein Punkt maximalen Einsilberverstehens noch zu registrieren ist, soll diesem bei 65 dB möglichst nahe gekommen werden“ gemäß § 22 Abs. 2 HilfsM-RL. Auf die zusätzliche Vertäubung des nicht versorgbaren Ohres kann logischerweise verzichtet werden. Eine weitere Messung findet mit 60 dB Rauschen statt. Hier „soll der Gewinn mit dem Hörgerät (…) mindestens 10 Prozentpunkte betragen“ nach § 22 Abs. 3 HilfsM-RL1. Ein möglicher Messaufbau ist in Abbildung 9 gezeigt. Von vorne werden die Einsilber wiedergegeben und von hinten wird der Kunde mit dem Rauschen beschallt.

Verstehensmessung

Schritt 2

Als nächstes wird der Kunde um 90° gedreht, sodass das Störgeräusch (60 dB) jetzt das besser hörende Ohr direkt von der Seite beschallt. Auf dem nicht versorgbaren Ohr wird die Sprache wiedergegeben. In Abbildung 10 wird dieser Aufbau gezeigt.

BiCROS

  • Nur Hörsystem auf der versorgbaren Seite

CROS

  • Kein Hörsystem am Ohr

Verstehensmessung

Schritt 3

In diesem Schritt findet der gleiche Messaufbau wie in Schritt 2 Anwendung. Mit dem Unterschied, dass die Schallübertragung von dem nicht versorgbaren Ohr auf das versorgbare Ohr stattfindet.

BiCROS

  • Mikrofongerät auf die nicht versorgbare Seit bringen

CROS

  • Mikrofongerät auf die nicht versorgbare Seite und einfaches, schwaches und lineares Hörsystem auf die normalhörende Seite bringen

Die Verbesserung des Verstehens von Schritt 2 zu Schritt 3 sollte, wie bei den Störgeräuschmessungen üblich 10 Prozentpunkte betragen. In der Realität sind bei diesem Messaufbau oft auch deutlicher größere Verbesserungswerte möglich. Die Messungen in Schritt 2 und Schritt 3 werden mit jeweils zwei Testlisten des Freiburger Einsilbertests durchgeführt.