2.4. Das Innenohr

Wie das Mittelohr befindet sich auch das Innenohr im Schläfenbein. Das Innenohr besteht aus dem Hörorgan und dem Gleichgewichtsorgan. Das Gleichgewichtsorgan besteht aus dem Vorhof (Vestibulum) und den Bogengängen. Das Hörorgan gleicht in seiner Form einem Schneckenhaus mit zweieinhalb Windungen und wird daher Hörschnecke (Cochlea) genannt.

In der Schnecke wird mechanische Energie in Nervenimpulse umgewandelt, welche dann über den Hörnerv zum Gehirn geleitet werden. Die flüssigkeitsgefüllten Hohlräume der Schnecke sind mit denen des Vorhofs verbunden.

In der Schnecke wird mechanische Energie in Nervenimpulse umgewandelt, welche dann zum Gehirn geleitet werden.

2.4.1. Der Aufbau der Schnecke

Die Schnecke ist in drei flüssigkeitsgefüllte Gänge gegliedert:

  • Vorhoftreppe (Scala vestibuli)
  • Schneckengang (Scala media)
  • Paukentreppe (Scala tympani)

Die Vorhoftreppe beginnt am ovalen Fenster, und die Paukentreppe endet am runden Fenster. Der Schneckengang beherbergt das Corti-Organ.

Sowohl die Vorhoftreppe als auch die Paukentreppe enthalten eine wässrige Flüssigkeit, die Perilymphe, während der Schneckengang mit einer gelähnlichen Flüssigkeit, der Endolymphe, gefüllt ist.

Die drei Gänge verlaufen durch die gesamte Schnecke parallel zueinander. Der Schneckengang liegt eingebettet zwischen Vorhoftreppe und Paukentreppe, welche am spitzen Ende der Schnecke durch einen kleinen Durchlass, das Schneckenloch (Helicotrema), miteinander verbunden sind. Der Schneckengang ist also der mittlere der drei Gänge und wird von zwei weichen Membranen begrenzt, der Reissner-Membran und der Basilarmembran.

Die Vorhoftreppe und die Paukentreppe sind an der Basis der Schnecke durch zwei Membranen vom Mittelohr getrennt:

Die Steigbügelfußplatte übt eine kolbenartige Bewegung auf das ovale Fenster aus, sodass Druckwellen in der Schnecke entstehen. Der erhöhte Druck in der Schnecke wird über das runde Fenster ausgeglichen, indem dessen Membran sich entsprechend der Bewegung der Steigbügelfußplatte hin- und herbewegt.

  • das ovale Fenster
  • das runde Fenster

Position des ovalen Fensters und des runden Fensters an der Basis der Schnecke.

2.4.2. Corti-Organ, Haarzellen und Stria vascularis

Der Schneckengang weist mehrere Strukturen auf, durch deren Zusammenarbeit Energie von Schallwellen in Nervenimpulse im Hörnerv umgewandelt wird.

Das Corti-Organ befindet sich auf der Basilarmembran. Es enthält die Haarzellen, die entlang der Basilarmembran liegen. Die Haarzellen spielen eine wichtige Rolle bei der Erzeugung der Nervenimpulse. Über den Haarzellen liegt eine gallertartige Struktur: die Deckmembran (Membrana tectoria).

Schnitt durch die Schnecke mit dem Corti-Organ, den inneren (A) und den äußeren Haarzellen (B) und der Deckmembran (C).

HAARZELLENART ANZAHL DER ZELLEN BESCHREIBUNG

Innere Haarzellen, werden auch als Sinneszellen bezeichnet

Etwa 3.500

Die inneren Haarzellen sind in einer einzigen Reihe auf dem Corti-Organ angeordnet. Sie sind vor allem mit afferenten Fasern versorgt, die Impulse zum Gehirn leiten.

Äußere Haarzellen

Etwa 13.000

Die äußeren Haarzellen sind in drei Reihen auf der Basilarmembran angeordnet. Sie sind vor allem mit efferenten Fasern versorgt, die Impulse von weiter oben im Gehirn empfangen.

Die Haarzellen besitzen auf ihrer Oberfläche kleine, haarförmige Faserfortsätze, die in der Deckmembran eingebettet sind und Stereozilien genannt werden.

An der Außenfläche des Schneckengangs befindet sich eine Zellschicht, die als Stria vascularis bezeichnet wird. Ihre Zellen produzieren die Endolymphe des Schneckengangs und sind daran beteiligt, im Verhältnis zur Perilymphe der Vorhoftreppe und der Paukentreppe eine positive elektrische Spannung aufrechtzuerhalten. Zusammen bilden diese beiden Flüssigkeiten eine Batterie, welche die Haarzellen mit der Energie versorgt, die für die Erzeugung der Nervenimpulse benötigt wird.

Die Reihen der Haarzellen auf der Basilarmembran (von oben): Im Vordergrund sind die äußeren Haarzellen als Dreiecke gruppiert, hinten die Reihe der inneren Haarzellen.

2.4.3. Wanderwelle auf der Basilarmembran

Wenn sich die Bewegung des Steigbügels auf die Schne- cke überträgt, wird ebenfalls die Basilarmembran in Bewegung versetzt. Da die wellenartige Bewegung der Basilarmembran vom ovalen Fenster zum Schneckenloch an der Spitze der Schnecke wandert, wird sie auch Wanderwelle genannt.

An einer bestimmten Stelle der Basilarmembran erreicht die Auslenkung der Wanderwelle ihr Maximum. Die Lage dieser maximalen Auslenkung hängt von der Schallfrequenz ab. Die Basilarmembran ist an der Basis des Schneckengangs schmal und steif, zur Schneckenspitze hin wird sie breiter und elastischer.

Durch diese Beschaffenheit der Basilarmembran tritt die maximale Auslenkung eines hochfrequenten Schallsignals, z. B. eines 10-kHz-Tons, an der Basis der Basi- larmembran nahe dem ovalen Fenster auf. Bei tieffrequenten Schallsignalen, z. B. 100 Hz, tritt die maximale Auslenkung zur Schneckenspitze hin auf, wo die Basilarmembran weniger steif ist. Die maximale Auslenkung eines Schallsignals im mittleren Frequenzbereich, d. h. etwa 1 kHz, tritt nahe der Mitte der Basilarmembran auf.

Bei einem hochfrequenten Schallsignal tritt das Auslenkungsmaximum an der Basis der Basilar- membran nahe dem ovalen Fenster auf, bei einem tieffrequenten Signal zur Schneckenspitze hin.

Auslenkung der Basilarmembran für Schallsignale mit niedriger, mittlerer und hoher Frequenz. Beachten Sie, dass die Basilarmembran in dieser Abbildung entkräuselt dargestellt ist, um ihre Form und die Frequenzverteilung entlang der Membran besser illustrieren zu können.

Dieser passive Mechanismus macht es möglich, dass Informationen über die Frequenz eines Schallsignals von bestimmten Gruppen der Haarzellen auf der Basilarmembran registriert werden. Diese Frequenzinformationen werden von den Haarzellen dann an den Hörnerv und weiter an den Teil des Gehirns übertragen, der auditive Informationen verarbeitet.

2.4.4. Die Funktionen der inneren und äußeren Haarzellen

Sowohl die äußeren als auch die inneren Haarzellen sind an der Umwandlung der Schwingungen der Innenohrflüssigkeiten in Nervenimpulse beteiligt. Einige Theorien gehen davon aus, dass die äußeren Haarzellen wie ein Servomechanismus im Auto wirken, indem leichte Schwingungen schwacher Schallsignale mechanisch verstärkt werden.

Die äußeren Haarzellen enthalten muskelartige Bestandteile (Mikrofilamente), die ihnen ermöglichen, ihre Form zu verändern. Die Haarzellenbewegung erhöht die Auslenkung der Basilarmembran, was einer Schallverstärkung von bis zu 40 dB entspricht. Dies geschieht an der Stelle der Basilarmembran, an der die maximale Auslenkung der Wanderwelle auftritt.

Die äußeren Haarzellen sind besonders bei niedrigen Schallpegeln effektiv, indem sie die Auslenkung der Basilarmembran in einem solchen Maße erhöhen, dass die inneren Haarzellen, die Sinneszellen, stimuliert werden. Je höher der Schallpegel, desto geringer ist der Effekt der äußeren Haarzellen. Bei hohen Pegeln, bei denen die inneren Haarzellen direkt durch die Auslenkung der Basilarmembran stimuliert werden, ist der Effekt der äußeren Haarzellen praktisch null.

Die inneren Haarzellen sind die eigentlichen Sinneszellen: Sie wandeln als Reaktion auf die Auslenkung der Basilarmembran den Schall in Nervenimpulse um. Diese Zellen sind vor allem mit afferenten Nervenfasern versorgt, die Impulse zum Gehirn leiten. Die Erregung der Haarzellen verursacht die Ausschüttung eines chemischen Botenstoffes, des Neurotransmitters, am Ende der Zelle, wodurch ein Impuls in der Nervenbahn initiiert wird.

Die Informationsübertragung an den Hörnerv

Gegenwärtig geht man davon aus, dass Informationen über die Frequenzzusammensetzung von Schall auf zwei Arten über die Nervenbahn übertragen werden: Eine Theorie besagt, dass Nervenfasern Impulse phasen- gleich mit dem empfangenen akustischen Signal weitersenden. Man spricht hier auch von „Phase Locking“, also von einer Phasenverriegelung. Eine weitere Theorie, die Ortstheorie, besagt, dass die Reaktion der Nerven- fasern ebenfalls von der Stelle auf der Basilarmembran, wo der Reiz registriert wird, abhängig ist.

Die Tatsache, dass die Nervenfasern ihre Position im Verhältnis zueinander im Hörnerv und auf dem Weg nach oben durch den Hirnstamm grundsätzlich beibehalten, stützt die letztere Theorie. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der tonotopischen Organisation des Hörnervs.

Darüber hinaus geht man davon aus, dass Informatio- nen über den Schallpegel über den Hörnerv übertragen werden, indem die Impulsrate der einzelnen Nerven- fasern erhöht wird. Der Hörnerv besteht aus drei Arten von Nervernfasern, die auf niedrige, mittlere oder hohe Schallpegel reagieren, sodass der Hörnerv den relativ großen Dynamikbereich des menschlichen Ohrs abbilden kann.

Das zentrale Nervensystem

Die afferenten Nervenfasern verlassen das Corti-Organ und sammeln sich im Hörnerv. Mit dem Hörnerv beginnt die Hörbahn, die von der Schnecke durch den Hirn- stamm hinauf zum auditorischen Kortex, dem Hörzentrum in der Hirnrinde, führt. Auf ihrem Weg passiert sie mehrere Nervenkerne, die alle als eine Art Relaisstation fungieren, wo das Signal auf verschiedene Art und Weise verarbeitet wird.

Die Hörbahn verläuft von der Schnecke hinauf durch den Hirnstamm. An einem der Nervenkerne, dem Nucleus cochlea- res oder Schneckenkern, wechselt mehr als die Hälfte der Nervenfasern zur anderen Seite des Hirnstamms hinüber.

Die Hörbahn teilt sich an einem der Nervenkerne, dem Nucleus cochleares oder Schneckenkern, auf. Hier wechselt mehr als die Hälfte der Nervenfasern zur anderen Seite des Hirnstamms hinüber. Diese Nervenfasern sammeln sich im oberen Olivenkomplex, der ein Komplex von Nervenkernen ist, die an der Lokalisierung von Schallquellen beteiligt sind.

Vom oberen Olivenkomplex führt die Hörbahn weiter durch den Lemniscus lateralis (seitliche Schleifenbahn) und den Colliculus inferior (unterer Hügel des Mittelhirndachs) und endet im auditorischen Kortex. Hier werden die Schallinformationen zusammen mit visuellen Informationen und Informationen von anderen Teilen des Gehirns verarbeitet.

Auch die efferenten Nervenfasern durchlaufen den Hirn- stamm, jedoch in entgegengesetzter Richtung der afferenten Nervenfasern. Vom oberen Olivenkomplex führen die efferenten Fasern durch das olivocochleare Bündel (Rasmussen-Bündel) und weiter zur Hörschnecke, wo die meisten der Nervenfasern mit den äußeren Haarzellen verbunden sind.

Die Funktion des olivocochlearen Bündels ist nicht vollständig bekannt, aber Theorien gehen davon aus, dass die efferenten Nervenfasern möglicherweise den aktiven Mechanismus der äußeren Haarzellen steuern.

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