3.1. Arten und Ursachen von Hörstörungen
Der Hörbereich eines Schwerhörigen ist kleiner als der eines Normalhörenden. Abhängig vom Ausmaß der Hörminderung kann es sein, dass Teile des Sprachsignals nicht länger hörbar sind und die Sprachverständlichkeit eingeschränkt ist. Dies wird häufig als Hörproblem er- lebt. Eine Hörminderung kann plötzlich auftreten oder sich allmächlich über eine längere Zeit hinweg entwickeln. Hörminderungen können die Folge von Störungen an unterschiedlichen Orten im auditiven System sein und die Wahrnehmung verschiedener Frequenzbereiche beeinträchtigen.
Abhängig vom Ort der Störung im Ohr unterscheidet man zwei Hauptarten von Hörminderungen:
- die Schallleitungsschwerhörigkeit
- die Schallempfindungsschwerhörigkeit
3.1.1. Die Schallleitungsschwerhörigkeit
Eine Schallleitungsschwerhörigkeit tritt auf, wenn die Weiterleitung des Schalls blockiert ist, entweder im äußeren Gehörgang oder im Mittelohr. Dadurch kommt es zu einer Reduzierung des Schalldruckpegels auf seinem Weg zur Schnecke im Innenohr.
Die Schallleitungsschwerhörigkeit ist gekennzeichnet durch schlechte Schallübertragung, entweder im äußeren Gehörgang oder im Mittelohr.
Einige Arten der Schallleitungsschwerhörigkeit können medikamentös oder chirurgisch behandelt werden. Andere Arten der Schallleitungsschwerhörigkeit können durch Hörsysteme effektiv ausgeglichen werden, da das Corti-Organ in der Schnecke normal funktioniert. Es geht daher hauptsächlich darum, das Übertragungshindernis im Außen- oder Mittelohr zu überwinden.
Die folgenden Abschnitte beschreiben einige mögliche Ursachen einer Schallleitungsschwerhörigkeit:
- Ceruminalpfropf – Ansammlung von Ohrenschmalz
- Otitis media – Mittelohrentzündung
- Cholesteatom – Knocheneiterung
- Otosklerose – Verknöcherung der Gehörknöchelchen
3.1.2. Ceruminalpfropf – Ansammlung von Ohrenschmalz
Die Drüsen im äußeren Gehörgang produzieren kontinuierlich Cerumen (Ohrenschmalz). Manchmal sammelt sich das Cerumen im Gehörgang und kann diesen sogar völlig blockieren. Dies geschieht oftmals beim Tragen eines Hörsystems, da das Ohrstück oder die Schale dazu neigt, das Cerumen im Gehörgang zusammenzudrücken, sodass ein Pfropf gebildet wird. Ein Ceruminalpfropf kann den Schall erheblich dämpfen und große Unannehmlichkeiten mit sich bringen.
Ein Ceruminalpfropf kann in der Regel mit einer Warmwasserspülung entfernt werden – manchmal kann da- bei auch eine Lösung zur Aufweichung des Cerumens nachhelfen. Ein Pfropf, der sich auf diese Weise nicht entfernen lässt, sollte nur von einem Spezialisten wie einem HNO-Arzt oder einer Fachkraft mit ähnlicher medizinischer Ausbildung entfernt werden. Der Versuch einer Person ohne eine solche Ausbildung, den Pfropf z. B. mit einem Wattestäbchen zu entfernen, kann zu Reizungen im Gehörgang führen, das Cerumen zu einem regelrechten Cerumenklumpen zusammendrücken oder das Trommelfell verletzen.
3.1.3. Otitis media – Mittelohrentzündung
Eine Entzündung des Mittelohrs (Otitis media) ist ein sehr häufiges Problem – vor allem bei Kindern. Die Mittelohrentzündung kann akut oder chronisch verlaufen. Eine akute Mittelohrentzündung rührt in der Regel von einer Infektion an der Rückseite des Rachens her, von wo sich Bakterien über die Eustachische Röhre zum Mit- telohr ausbreiten. Hier wird eine infektiöse Flüssigkeit gebildet, wodurch Ohrenschmerzen und eine vorübergehende Schallleitungsschwerhörigkeit verursacht werden. Eine akute Mittelohrentzündung muss unverzüglich von einem HNO-Arzt untersucht werden. Die Behandlung kann durch Antibiotika erfolgen oder zusätzlich durch einen kleinen Einschnitt ins Trommelfell (Parazentese), durch den die Flüssigkeit aus dem Ohr abfließen kann.
Eine chronische Mittelohrentzündung ist eine anhaltende Infektion des Mittelohrs. Ihre Ursache ist ein bleibendes Loch im Trommelfell (Trommelfellperforation) oder ein Cholesteatom. Das Loch im Trommelfell kann vorliegen, ohne jegliche Symptome zu verursachen. Manchmal entwickelt sich jedoch eine chronische bakterielle Infektion. Eine chronische Mittelohrentzündung ist in der Regel nicht schmerzhaft und kann mit unangenehmem Ohrgeruch einhergehen. In manchen Fällen kann Flüssigkeit in den äußeren Gehörgang sickern.
Wird eine Person mit chronischer Mittelohrentzündung mit Hörsystemen versorgt, muss dies mit großer Sorgfalt und Vorsicht geschehen, da ein Ohrstück im Gehörgang das Risiko wiederholter Infektionen erhöhen kann. Eine chronische Mittelohrentzündung wird üblicherweise vom HNO-Arzt behandelt.
Eine seröse Mittelohrentzündung ist eine Flüssigkeitsansammlung im Mittelohr; man spricht daher oftmals von einem Mittelohrerguss. Ein solcher Erguss kann sich aus einer akuten Mittelohrentzündung oder einer Fehlfunktion der Eustachischen Röhre entwickeln. Die Funktionsstörung der Eustachischen Röhre bewirkt eine unzureichende Belüftung des Mittelohrs, was meist einen verminderten Druck im Mittelohr zur Folge hat. Dies führt zu einer Ansammlung von Flüssigkeit im Mittelohr und einer vorübergehenden Schallleitungsschwerhörigkeit. Eine seröse Mittelohrentzündung tritt häufig im Kindesalter auf, da die Eustachische Röhre noch nicht voll entwickelt ist, und kann sich über Wochen oder Monate hinziehen. Sie ist in der Regel nicht schmerzhaft, weshalb die Kinder nicht über Ohrprobleme klagen. Da jedoch aufgrund der damit verbundenen Hörminderung die Sprachentwicklung des Kindes beeinträchtigt wer- den kann, muss die Erkrankung so früh wie möglich erkannt und behandelt werden. Die Behandlung einer serösen Mittelohrentzündung erfolgt medikamentös oder chirurgisch. Bei einem chirurgischen Eingriff wird ein kleines Belüftungsröhrchen – ein Paukenröhrchen – ins Trommelfell eingesetzt, um den normalen Mittelohrdruck wiederherzustellen und aufrechtzuerhalten.
3.1.4. Cholesteatom – Knocheneiterung
Als Folgeerscheinung einer chronischen oder anderer Arten der Mittelohrentzündung kann sich auch ein Cholesteatom entwickeln. Ein Cholesteatom ist eine tumorartige Masse aus Zellen und Cholesterol, welche die Knochen des Mittelohrs zerstört, was eine Schallleitungsschwerhörigkeit zur Folge hat.
Ein Cholesteatom kann auch im feuchten äußeren Gehörgang entstehen, wo es den inneren, knöchernen Teil des äußeren Gehörgangs zerstören kann und dadurch einen beträchtlichen Hohlraum nahe dem Trommelfell ausbildet.
Die Behandlung eines Cholesteatoms erfolgt in erster Linie chirurgisch. Im fortgeschrittenen Stadium können auch die Gehörknöchelchen betroffen sein; in einigen Fällen kann jedoch ein operativer Eingriff Abhilfe schaffen.
3.1.5. Otosklerose – Verknöcherung der Gehörknöchelchen
Bei der Otosklerose handelt es sich um eine Mittelohrerkrankung. Sie ist gekennzeichnet durch übermäßiges Knochenwachstum im Mittelohr. Otosklerose kann zu einer allmählichen Fixierung der Steigbügelfußplatte am ovalen Fenster führen und damit zu einer Schallleitungsschwerhörigkeit, die zunächst bei niedrigen Frequenzen am ausgeprägtesten ist. Breitet sich das Knochenwachstum auf die Schnecke aus, kann die Hörminderung auch eine Schallempfindungskomponente aufweisen.
Oftmals ist es möglich, das durch Otosklerose beeinträchtigte Hörvermögen durch einen operativen Eingriff zu verbessern. Der verknöcherte Steigbügel wird dabei durch eine Prothese ersetzt, um die Funktion der Gehörknöchelchen wiederherzustellen. Wird oder kann keine chirurgische Behandlung durchgeführt werden, besteht oftmals die Möglichkeit, die Hörminderung durch ein Hörsystem effektiv auszugleichen.
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