4.3. Überhören und Vertäuben

Unterscheidet sich das Hörvermögen des linken Ohres von dem des rechten deutlich, kann bei der Messung der Luft- und Knochenleitungsschwellen eine Vertäubung notwendig sein. Ein Beispiel hierfür wäre eine Testperson mit normalem Gehör in einem Ohr und mittelgradiger Schallempfindungsschwerhörigkeit im anderen.

Bei der Messung der Luftleitungsschwellen des schlechteren Ohres muss das bessere, nicht zu testende Ohr vertäubt werden, d. h. „taub“ gemacht werden, um einen Einfluss des besseren Ohres auf die Messung des schlechteren auszuschließen.

Eine Vertäubung wird verwendet, wenn das Risiko besteht, dass das nicht zu testende Ohr die Testtöne, die dem Testohr dargeboten werden, auffangen kann.

Zur Messung der Luftleitungsschwellen des Ohres mit dem schlechteren Gehör werden diesem Ohr Töne eingespielt. Wenn die Testtöne einen relativ lauten Pegel erreichen, werden sie über Vibrationen des Schädels auf die andere Seite des Kopfes geleitet und können vom nicht zu testenden Ohr wahrgenommen werden. Man spricht bei diesem Phänomen auch von Überhören (engl.: Cross Hearing). Dies kann dazu führen, dass die Testperson bereits bei einem Pegel reagiert, bei dem der Ton noch zu leise ist, um von dem schlechteren Testohr wahrgenommen zu werden, sodass die Messung nicht das tatsächliche Hörvermögen des Testohres widerspiegelt.

Ein Überhören tritt auf, wenn die Testtöne zur Messung der Hörschwelle des Testohres vom anderen, nicht zu testenden Ohr aufgefangen werden. Die Testperson reagiert daher auf den Testton, obwohl dieser in Wirklichkeit zu leise ist, um vom Testohr wahrgenommen zu werden.

Das Überhören kann vermieden werden, indem das nicht zu testende Ohr durch ein Rauschsignal um die Frequenz des Testtones herum vertäubt wird. Dadurch wird die Hörschwelle des nicht zu testenden Ohres erhöht, sodass die korrekte Hörschwelle des Testohres ermittelt werden kann.

Eine schmalbandige Vertäubung wird verwendet, um die Hörschwelle des nicht zu testenden Ohres zu erhöhen, sodass die tatsächliche Hörschwelle des Testohres ermittelt werden kann.

4.3.1. Kriterien beim Einsatz einer Vertäubung

Die Notwendigkeit einer Vertäubung hängt von der Art der beim Hörtest verwendeten Hörer ab. Bei ohraufliegenden Kopfhörern kann die interaurale Pegeldifferenz durch die Dämpfung über den Kopf zwischen 35 und 50 dB betragen. Damit der dargebotene Testton vom anderen Ohr aufgefangen werden kann, muss der Ton deshalb um diese dB-Zahl lauter sein als die Knochenleitungshörschwelle des anderen Ohres. Bei Einsteckhörern beträgt die interaurale Pegeldifferenz ungefähr 55 bis 75 dB.

Bei der Messung der Knochenleitungsschwellen beträgt die Dämpfung 0 dB, da die Vibrationen direkt über den Schädel an die Schnecke des gegenüberliegenden Oh- res übertragen werden. Um die Knochenleitungsschwelle des Testohres zu ermitteln, muss das Gehör des nicht zu testenden Ohres grundsätzlich immer vertäubt werden.

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