3.3. Weitere Hörstörungen
Folgende weitere Hörstörungen werden in den nachfolgenden Abschnitten beschrieben:
- Tinnitus
- Menière-Krankheit (Morbus Menière)
- Ototoxizität
- Auditive Verarbeitungsstörung
3.3.1. Tinnitus
Tinnitus, das Klingeln im Ohr, bezeichnet die Wahrnehmung von Ohrensausen oder anderen Geräuschen im Ohr. Das Tinnitusgeräusch ist äußerlich nicht vorhanden und kann nur von der betroffenen Person wahrgenommen werden. Was einen Tinnitus auslöst, ist nicht vollständig bekannt. Aktuelle Theorien gehen davon aus, dass Tinnitus durch das spontane Auftreten von Nervenimpulsen im Hörnerv ausgelöst wird. Diese Nervenimpulse werden von dem Teil des Gehirns, der auditive Informationen verarbeitet, als Schall wahrgenommen. Tinnitus kann viele verschiedene Schallformen aufweisen, z. B. ständiges Klingeln, Brummen und Knacken.
Tinnitus ist keine Krankheit, sondern häufig ein Symptom einer Schädigung in der Schnecke oder im Hörnerv. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es keine medikamentöse oder chirurgische Therapie, welche Tinnitus heilen könnte.
Schätzungen zufolge sind etwa 10–15 % der Bevölkerung von Tinnitus betroffen. Die Mehrheit der Betroffenen leidet nicht unter den Geräuschen, sondern kann sie tolerieren und nimmt sie erst in ruhigen Umgebungen bewusst wahr. Für andere Betroffene ist der Tinnitus jedoch so belastend, dass er ihre Lebensqualität beeinträchtigt – zum Teil da die Geräusche konstant wahrnehmbar sind und aufgrund psychologischer Folgeerscheinungen wie Konzentrationsschwierigkeiten, Schlafstörungen und Angstzuständen. In solchen Fällen kann professionelle Hilfe, z. B. durch psychologische oder entspannende Übungen, erforderlich sein.
Es ist nicht ungewöhnlich, wenn eine Schwerhörigkeit mit Tinnitusgeräuschen einhergeht. Das Tinnitusgeräusch tritt oftmals in dem Frequenzbereich auf, in welchem auch das Hörvermögen des Betroffenen verringert ist. Vielen Hörsystem-Trägern verschafft das Tragen der Hörsysteme Linderung, da der verstärkte Schall das Tinnitusgeräusch verdeckt (maskiert), sodass der Betroffene sich auf andere Schallereignisse in seiner Umgebung konzentrieren kann.
3.3.2. Menière-Krankheit (morbus menière)
Die Menière’sche Krankheit ist gekennzeichnet durch Schwindelanfälle verbunden mit Hörverlust und Tinnitus. Zuerst beschrieben wurde sie 1861 von dem französischen Arzt Prosper Menière, der auch selbst an dieser Erkrankung litt. Ein Menière-Anfall geht oftmals mit Übelkeit und Erbrechen einher und kann wenige Minuten bis mehrere Stunden dauern. Die Anfälle können sehr häufig auftreten, z. B. mehrmals pro Woche, oder eher selten im Abstand von mehreren Monaten.
Die Schwindelanfälle der Menière-Krankheit sind eine Art von Gleichgewichtsstörung, bei der man das Gefühl hat, die Umgebung oder der eigene Körper drehe sich. Ein Anfall geht mit einer Hörminderung in dem betroffenen Ohr einher, in der Regel bei niedrigen Frequenzen. Zwischen den Anfällen kann sich das Hörvermögen wie- der normalisieren. Bei wiederholten Anfällen bleibt die Hörminderung jedoch zunehmend bestehen und die Unterscheidungsfähigkeit des Gehörs verschlechtert sich.
Die Forschung nach Ursachen und möglichen Behandlungen der Menière-Krankheit wurde in den letzten Jahren intensiviert. Eine der anerkannten Theorien geht davon aus, dass Menière-Anfälle durch eine Flüssigkeitsansammlung in der Schnecke und im Gleichgewichtsorgan verursacht werden.
Die Symptome der Menière-Krankheit können mit verschiedenen Arten von Arzneimitteln behandelt werden, sodass die Intensität und Häufigkeit der Anfälle reduziert werden. In manchen Fallen kann die Flüssigkeitsansammlung im Innenohr gelindert werden.
Aufgrund der schwankenden Hörminderung und der gestörten Schallwahrnehmung gestaltet sich die Anpassung von Hörsystemen bei Personen, die an der Menière-Krankheit leiden, als schwierig. Es ist von Vorteil, wenn das Hörsystem mit einer manuellen Lautstärkeregelung ausgestattet ist, sodass der Träger die Möglichkeit hat, die Lautstärke entsprechend seinem sich verändernden Hörvermögen anzupassen.
3.3.3. Ototoxizität
Bestimmte Arten von Arzneimitteln sind schädlich für das Gehör, darunter auch einige Medikamente
zur Behandlung von Krebs und bestimmte Arten von Aminoglykosid-Antibiotika sowie Anti-Malaria-Mittel. Die Medikamente haben einen toxischen Effekt auf die Haarzellen in der Schnecke und können eine Schallempfindungsschwerhörigkeit auslösen. Die Hörminderung tritt oftmals beidseitig auf und beginnt bei den hohen Frequenzen.
Der Toxizitätsgrad hängt von einer Reihe von Faktoren ab, wie der Medikamentendosis, dem Alter und Gesundheitszustand des Patienten, der Nierenfunktion usw.
Während der Behandlungsphase, in der das Risiko für die Entwicklung einer ototoxischen Hörminderung besteht, wird die Hörfunktion des Patienten oft in regelmäßigen Abständen kontrolliert. Bei ersten Anzeichen einer ototoxischen Hörminderung kann ein anderer Medikamententyp, der keine schädlichen Nebenwirkungen auf das Gehör hat, verschrieben werden.
Einige chemische Wirkstoffe, die in der Industrie verwendet werden, können ebenfalls eine ototoxische Hörminderung auslösen, z. B. organische Lösungsmittel und einige Schwermetallarten. Diese Substanzen können das zentrale Nervensystem angreifen und somit den Teil des Gehirns, der auditive Informationen verarbeitet. In vielen Fällen geht eine solche Hörminderung mit einer verminderten Unterscheidungsfähigkeit des Gehörs einher.
3.3.4. Auditive Verarbeitungsstörungen
Bei einer auditiven Verarbeitungsstörung ist die Fähigkeit, Schallsignale auf höheren Ebenen des zentralen auditiven Systems zu verarbeiten, d. h. im Hirnstamm und im Gehirn selbst, eingeschränkt. Man spricht dann von einer zentral-auditiven Verarbeitungsstörung, abgekürzt ZAVS.
Die Empfindlichkeit des Gehörs ist bei einer auditiven Verarbeitungsstörung in der Regel normal, jedoch machen die Schallwahrnehmung, das Sprachverständnis und die Handhabung schwieriger Hörsituationen, wie z. B. bei Hintergrundgeräuschen, weiterhin Schwierigkeiten. Eine weitere mögliche Erscheinungsform sind Schwierigkeiten bei der Koordination von Schallsignalen, die von den beiden Ohren kommen, was wichtig ist für die Lokalisierung einer Schallquelle. Wenn ein Kind an einer auditiven Verarbeitungsstörung leidet, kann dies die Sprachentwicklung des Kindes und sein allgemeines Wohlbefinden zu Hause und in der Schule beeinträchtigen. Eine auditive Verarbeitungsstörung kann durch eine Vielzahl von anatomischen und/oder physiologischen Phänomenen von verschiedenen Orten im auditiven System verursacht werden. Es ist äußerst wichtig, dass eine präzise Diagnose für diese Kinder gestellt wird, sodass die bestmöglichen Hörbedingungen geschaffen und andere mögliche Schwierigkeiten so früh wie möglich ausgeschlossen werden können.
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