Das OLG Karlsruhe hat es einem Onlinehändler verboten, ein Hörgerät in den Verkehr zu bringen, das nicht über eine individuell veränderbare Ausgangsschalldruckbegrenzung verfügt, obwohl es bei 4000 Hz einen Ausgangsschalldruckpegel von 121,2 dB erreicht (OLG Karlsruhe, Urteil vom 24.06.2022 – 4 U 83/19, nicht rechtskräftig). Anders als noch die Vorinstanz bejahte das Oberlandesgericht den begründeten Verdacht, dass mit einem solchen Gerät Gesundheitsgefahren für den Träger verbunden sind. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Sachverhalt

Anfang 2017 wurde die Wettbewerbszentrale darauf aufmerksam gemacht, dass ein Onlinehändler ein „medizinisches HdO-Hörgerät“ zum Preis von € 49,90 vertrieb. Da ein Privatgutachten zu dem Ergebnis kam, dass bei dem betreffenden Hörgerät wegen der fehlenden individuell einstellbaren Ausgangsschalldruckbegrenzung „eine Schädigung des Restgehörs schon bei kurzer Tragedauer wahrscheinlich“ ist, forderte die Wettbewerbszentrale den Onlinehändler auf, ein Inverkehrbringen des betreffenden Hörgeräts künftig zu unterlassen. Nachdem die Abmahnung erfolglos blieb und die daraufhin von der Wettbewerbszentrale erhobene Klage in erster Instanz zunächst abgewiesen worden war (vgl. LG Freiburg im Breisgau, Urteil vom 30.04.2022 – 12 O 36/17 KfH), schloss sich das Berufungsgericht nunmehr der Auffassung der Wettbewerbszentrale an und bejahte einen Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Nr. 1 Medizinproduktegesetz (MPG). Nach dieser Vorschrift ist es u.a. verboten, Medizinprodukte in den Verkehr zu bringen, wenn der begründete Verdacht besteht, dass sie bei sachgemäßer Anwendung die Gesundheit der Anwender über ein vertretbares Maß hinaus gefährden.

OLG Karlsruhe bejaht begründeten Verdacht einer Gesundheitsgefährdung

Auf der Grundlage einer umfangreichen Beweisaufnahme – das OLG Karlsruhe hatte zwei (weitere) Sachverständigengutachten eingeholt – ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass von dem streitgegenständlichen Hörgerät ein solcher begründeter Verdacht einer Gesundheitsgefährdung ausgeht. Da der Hörgeräteträger wegen der fehlenden individuell veränderbaren Ausgangsschalldruckbegrenzung zu lange und zu oft Ausgangsschalldruckpegeln bis zu 121,2 dB bei 4000 Hz ausgesetzt werden kann, könne das Hörgerät bei einem nicht zu vernachlässigenden Teil der Benutzer zu einer vorübergehenden oder auch dauerhaften Hörschädigung führen. Anders als die Vorinstanz ist das OLG Karlsruhe weiter der Ansicht, dass der Umstand, dass das Gerät über eine manuelle Lautstärkenregelung verfügt, keine andere Bewertung erfordert, weil damit der vom Gerät ausgehenden Gefahr nicht verlässlich begegnet werden kann. So sei keineswegs gesichert, dass der – meist betagte – Hörgeräteträger auf plötzlich auftretende laute Geräusche immer hinreichend schnell reagieren kann bzw. wird.