Implantate können den Körper aktiv unterstützen: So etwa Herzschrittmacher, Neuroprothesen oder Cochlea-Implantate. Künftig sollen aktive Implantate kleiner, energiesparsamer und vor allem patientenschonender werden. Das Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT arbeitet daher an der Miniaturisierung, der Energieversorgung von außen und an drahtlos vernetzten Implantaten.

Während Zahnimplantate »nur« den Zahn ersetzen und dem Körper wie ihr natürliches Vorbild mechanisch beim Zermahlen der Nahrung helfen, unterstützen andere Implantate den Körper aktiv – und werden daher »aktive Implantate« genannt. Bekanntestes Beispiel ist der Herzschrittmacher: Er wird im Brustbereich unter die Haut des Patienten verpflanzt und gibt stimulierende Impulse ab, wenn sich der Herzrhythmus zu sehr verlangsamt. Eine Batterie versorgt ihn mit der nötigen Energie. Für neuartige Therapien, bei denen zukünftig kleine Implantate die Tabletteneinnahme zum Teil ersetzen könnten, werden jedoch kleinste und energiesparsame Implantate benötigt. Das große Ziel: Die maximale Schonung des Patienten und die patientenindividuelle Therapie. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fraunhofer IBMT unterstützen die Hersteller dabei: Sie arbeiten seit 20 Jahren an aktiven Implantaten und haben somit eine große Expertise aufgebaut.

Neuroprothesen ansteuern: Direkt über Muskel- oder Nervensignale

Ein Beispiel sind Handprothesen: Über sie können Menschen, die eine Hand oder einen Arm verloren haben, bereits greifen – also die »Hand« öffnen und schließen – und die Hand drehen. Künftig sollen deutlich mehr Freiheitsgrade dazu kommen, auch die derzeit nötigen Elektroden auf der Haut sollen dann passé sein. »Wir haben unter anderem im Projekt »Theranostische Implantate« flexible, implantierbare Mikroelektroden entwickelt«, sagt Roman Ruff. »Auf diese Weise können wir die Elektroden in den Körper verlagern und die Nutzsignale direkt am Muskel oder am Nerv ableiten.« Diese Signale werden dann in die Bewegung der Prothese umgesetzt. »Langfristig könnten Patienten mit solchen Prothesen deutlich näher an das Gefühl kommen, eine natürlich funktionierende Hand zu besitzen – da wesentlich komplexere Bewegungen möglich sind. Zudem wird über die implantierten Elektroden ein Feedback in das periphere Nervensystem eingeprägt. Somit werden Wahrnehmungen hervorgerufen, die zum Beispiel die veränderliche Griffkraft repräsentieren. Die Steuerung einer Prothese wird für den Träger wesentlich intuitiver«, erläutert Ruff.

Energieübertragung von außen: Eindringtiefe um Faktor zwei bis drei erhöht

Aktive Implantate benötigen Energie. Über Induktion lässt sich diese Energie von außen zuführen – allerdings ist die Eindringtiefe in den Körper beschränkt, für tief liegende Implantate verschlechtert sich der Wirkungsgrad signifikant. »Wir konnten die Eindringtiefe um einen Faktor zwei bis drei erhöhen, indem wir die Energie via Ultraschall in den Körper übertragen«, sagt Schneider-Ickert. Auf diese Weise lassen sich auch Implantate versorgen, die etwa in Titan gekapselt sind und die sich über Induktion nicht versorgen lassen. Ein weiterer Vorteil der Energieversorgung und Kommunikation per Ultraschall liegt in der Sicherheit. Während sich induktive oder funkbasierte Schnittstellen hacken lassen, ist dies bei Ultraschall nur schwer möglich.

Weiterhin arbeiten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fraunhofer IBMT im kürzlich gestarteten EU-Projekt »SOMA« mit sieben Partnern aus fünf europäischen Ländern daran, per Ultraschall auch Nerven zu stimulieren. »Könnten wir das periphere Nervensystem aus größerer Distanz zum Nerv über Ultraschall stimulieren, würde der Einsatz der Implantate für den Patienten noch schonender«, sagt Schneider-Ickert.

Vernetzte Implantate

Ein weiterer Zukunftstrend im Bereich der aktiven Implantate liegt darin, statt eines Zentralimplantats auf vernetzte Systeme aus mehreren stark miniaturisierten Implantaten zu setzen, die sich untereinander abstimmen. Daran arbeitet das Wissenschaftlerteam des Fraunhofer IBMT im BMBF-geförderten Innovationscluster INTAKT (INTerAKTive Mikroimplantate) gemeinsam mit 16 Partnern. Der Hauptvorteil solcher vernetzten Systeme liegt in einer höheren Biostabilität. »Die Sensoren und Aktoren können direkt in das Gehäuse integriert werden, auf empfindliche Kabelverbindungen kann man daher verzichten«, erklärt Ruff. Und sollte doch einmal ein Implantat ausfallen, so lassen sich diese Implantate wesentlich leichter ersetzen. Die Fraunhofer-Forschenden widmen sich bei der Entwicklung von Plattformtechnologien für vernetzte aktive Implantate gleich drei Anwendungsfeldern: Einem Schrittmacher für den Gastrointestinaltrakt, bei dem die Motilität  – sprich die Fähigkeit zur aktiven Bewegung – des Darms über verteilte Implantate gefördert oder gehemmt werden kann. Zweitens einer Tinnitus-Suppression, bei der der Pfeifton über eine elektrische Stimulation so verrauscht wird, dass man ihn nicht mehr so stark wahrnimmt. Und drittens einer Greifneuroprothese, mit der Querschnittsgelähmte, die über eine Restmuskelaktivität verfügen, bei der Ausführung einer Armbewegung unterstützt werden, um beispielsweise ein Glas heben zu können.