Ein Team der Technischen Universität München (TUM) will mit Hightech-Sensoren rund um die Uhr Biowerte von Covid-19-Patientinnen und -Patienten in häuslicher Isolation messen. Ziel der Studie ist, herauszufinden, ob eine besonders zeitnahe Behandlung bei schlechter werdenden Werten Überlebenschancen verbessern und Intensivstationen entlasten kann. Ein schneller Start der Studie wurde durch Spenden ermöglicht.

Die Erkrankung nach einer Infektion mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 lässt sich grob in zwei Phasen einteilen. Während in der ersten Phase auftretende Symptome weniger ausgeprägt sind und Infizierte meist zuhause bleiben können, kommt es bei einem schweren Verlauf der Erkrankung in einer zweiten Phase zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustands mit zum Teil schwerwiegenden Lungenentzündungen. „Hier kommt es darauf an, dass Patientinnen und Patienten rechtzeitig in Kliniken behandelt werden. Je früher sie medizinisch gut versorgt werden, desto besser ist die Prognose“, erläutert Prof. Georg Schmidt, Leiter der Arbeitsgruppe Biosignalverarbeitung am Klinikum rechts der Isar der TUM.

Jetzt wollen Schmidt und sein Team überprüfen, ob sich mittels eines Hightech-Sensors, der wie ein Hörgerät im Ohr getragen wird, eine Verschlechterung einer Covid-19-Erkrankung frühzeitig erkennen lässt. Damit verbindet sich auch die Hoffnung, durch eine frühzeitige Behandlung Intensivstationen zu entlasten, weil eine intensivmedizinische Behandlung inklusive maschineller Beatmung in einem Teil der Fälle gar nicht erst notwendig wird.

Schnellere Reaktion auf Verschlechterung des Gesundheitszustands

COVID-19-Infizierte in München werden aktuell nach Vorliegen des positiven Testergebnisses schnellstmöglich vom Referat für Gesundheit und Umwelt der Stadt (RGU) kontaktiert, das dann im telefonischen Kontakt täglich beratend zur Seite steht und den gesundheitlichen Zustand erfragt. Für positiv getestete Patientinnen und Patienten ohne oder mit nur leichten Symptomen wird eine 14-tägige häusliche Quarantäne angeordnet. Alle positiv Betroffenen können rund um die Uhr bei Symptomen einen vom RGU organisierten medizinischen Dienst kontaktieren, der bei Bedarf zuhause vorbeikommt und gegebenenfalls einen Transport ins Krankenhaus organisiert. Bisher entwickeln nur rund 13% der Infizierten schwere Symptome und müssen stationär behandelt werden.

„Bislang sollen Erkrankte in der ersten Krankheitsphase selbst Fieber messen, sich beobachten und sich bei bestimmten Beschwerden telefonisch beim Gesundheitsamt oder in ihrer Hausarztpraxis melden“, erläutert Georg Schmidt. „Dies bringt gewisse Unwägbarkeiten mit sich: Die Temperatur muss richtig gemessen sein, die Patientin oder der Patient muss sich für einen Anruf in der Praxis entscheiden, die Einweisung in die Klinik muss erfolgen. Hier kann es zu Verzögerungen kommen. Wir hoffen, dass wir durch eine automatische permanente Überwachung der Biodaten und eine schnelle Reaktion auf eine Verschlechterung des Gesundheitszustands die Prognose der Patientinnen und Patienten deutlich verbessern können.“

Ohrsensoren statt Smartwatches

Überwacht werden sollen neben der Körpertemperatur auch die Sauerstoffsättigung des Blutes, Atemfrequenz und Puls. Zudem wird mehrmals täglich ein sogenannter Polyscore bestimmt, der Auskunft darüber gibt, wie gut der Körper die Auswirkungen der Erkrankung kompensieren kann.

Bereits seit einiger Zeit kooperiert Schmidt mit dem Münchner Start-up cosinuss, das 2011 aus dem Thema einer Doktorarbeit an der TUM entstanden ist. Die Ohrsensoren des Unternehmens erfassen Biodaten unter anderem durch optische Verfahren. „Die Geräte messen alle Werte, die wir brauchen, und über eine Bluetooth-Funkverbindung an einen kleinen Computer schicken, der sie dann datenschutzkonform zur Auswertung an unsere Zentrale weiterleitet“, sagt Georg Schmidt. „Wir haben uns für Ohrsensoren und gegen Ansätze wie Smartwatches entschieden, weil im Ohr das gemessene Signal besonders stabil und dementsprechend aussagekräftig ist. Aus einer Studie die wir vor einigen Monaten zu einem anderen Thema gestartet haben, wissen wir außerdem, dass gerade ältere Menschen die Geräte komfortabel tragen können.“