Oldenburger Hörforscher Kai Siedenburg erforscht neue Wege des Musikerlebens
Oldenburg – Musik nicht nur hören, sondern auf neue, individuell angepasste Weise erleben: Das ist das Ziel von Prof. Dr. Kai Siedenburg, der mit einer Niedersachsen-Impuls-Professur an die Universität Oldenburg zurückkehrt. Der Musikwissenschaftler und Hörforscher will untersuchen, wie sich musikalische Wahrnehmung erweitern lässt – insbesondere für Menschen, die auf Hörhilfen wie Hörgeräte oder Cochlea-Implantate angewiesen sind.
Die VolkswagenStiftung fördert das Vorhaben mit rund 2,2 Millionen Euro. Siedenburg wurde als Professor für Systematische Musikwissenschaft ans Institut für Musik der Universität Oldenburg berufen. Zuvor war er Professor für Kommunikationsakustik an der TU Graz.
Musik für jedes Hörprofil
„Obwohl moderne Hörgeräte heute spezielle Musikeinstellungen bieten, ist das Ergebnis oft unbefriedigend“, erklärt Siedenburg. „Bei Cochlea-Implantaten lassen sich Tonhöhen oder Instrumente häufig kaum unterscheiden – das schmälert den Musikgenuss erheblich.“
Mit seinem neuen Forschungsprojekt möchte er Wege finden, Musik so anzupassen, dass sie zu den individuellen Hörprofilen passt. Denkbar sind personalisierte Hörmischungen, die Menschen mit Hörbeeinträchtigung ermöglichen, Konzerte oder Aufnahmen über Kopfhörer so zu erleben, wie sie für ihr Hörvermögen optimal klingen.
Wenn Musik fühlbar wird
Darüber hinaus blickt Siedenburg über das klassische Hören hinaus. Sein Team untersucht, wie die taktile Wahrnehmung – also das Fühlen von Schwingungen über die Haut – zur musikalischen Erfahrung beitragen kann. Inspiration liefert unter anderem die britische Schlagzeugerin Evelyn Glennie, die trotz schwerer Hörschädigung über Vibrationen Musik wahrnimmt. „Anstatt sich auf das eingeschränkte Ohr zu konzentrieren, hat sie einen neuen Signalweg erschlossen“, sagt Siedenburg. „Solche erweiterten Wahrnehmungsformen sind bisher kaum erforscht – genau dort setzen wir an.“
Von Mathematik zur Musikwahrnehmung
Kai Siedenburg studierte Mathematik und Musik an der Humboldt-Universität zu Berlin und der University of California, Berkeley, bevor er an der McGill University in Montréal über die Wahrnehmung musikalischer Klangfarben promovierte. Bereits 2015 kam er als Marie-Skłodowska-Curie-Stipendiat an die Universität Oldenburg, wo er ab 2020 mit einem Freigeist-Fellowship der VolkswagenStiftung seine Forschung zur Musikwahrnehmung vertiefte.
Für seine Arbeiten wurde Siedenburg mehrfach ausgezeichnet – unter anderem mit dem Lothar-Cremer-Preis der Deutschen Gesellschaft für Akustik (2020) und dem Early Career Award des International Congress of Acoustics (ICA) im Jahr 2025. Seit 2022 ist er zudem Mitglied der Jungen Akademie.
Über die Niedersachsen-Impuls-Professur
Mit der „Niedersachsen-Impuls-Professur“ fördert das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur herausragende wissenschaftliche Talente, die innerhalb der letzten zehn Jahre promoviert haben. Ziel ist es, exzellente Forschende für den Standort Niedersachsen zu gewinnen oder langfristig zu halten. Die Förderung läuft über fünf Jahre.